Deutlicher Widerstand gegen die Umbenennung
Eslarn ist ein beschaulicher Ort im Oberpfälzer Wald, direkt an der Grenze nach Böhmen. Ein Erholungsort mit bayerischer Tradition: Man feiert ein Heimatfest, sogar ein eigenes Bier wird dort gebraut. Dass ein Straßenzug nach einem Pfarrer benannt wird, gehört zum guten Ton. Dann stellt sich heraus, dass es sich bei dem Pfarrer, der dem Straßenzug seit mehr als 30 Jahren seinen Namen gibt, um einen verurteilten Missbrauchstäter handelt. Der Marktgemeinderat zieht Konsequenzen: Mit neun zu sechs Stimmen beschließt er im Mai, dass die Georg-Zimmermann-Straße umbenannt wird. Doch es gibt Widerstand.
Bürgerinnen und Bürgern haben ein Bürgerbegehren angestrengt. Bereits mehr als 680 Unterschriften sind laut Bürgermeister Rainer Gäbl (SPD) gegen die Umbenennung der Georg-Zimmermann-Straße eingegangen, weit mehr, als die Straße Anlieger hat. Das sei nahezu ein Drittel der Wahlberechtigten: "Ich finde das erschütternd, was da gerade bei uns passiert", sagt Gäbl. Die Unterzeichner argumentieren, ihnen seien Kosten und Aufwand für die Umbenennung zu hoch. In der Lokalpresse wird eine Familie zitiert, die sich beklagt, nicht nur sämtliche Pässe, Adresse und Hausschilder ändern, sondern auch ihre fünf Autos ummelden zu müssen.
Die Gemeinde hatte im Vorfeld allerdings zugesagt, sämtliche Kosten von kommunaler Seite zu übernehmen. Der Kostenaufwand sei damit überschaubar, sagt der Bürgermeister. Außerdem stehe es nicht im Verhältnis dazu, "dass bei uns eine Straße existiert, die nach einem Missbrauchstäter benannt ist". Straßenbenennungen seien ein "Akt der Ehrenbezeugung".
Unerträgliche Situation für die Betroffenen aus Eslarn
Im Jahr 2023 hatte der Betroffenenbeirat des Bistums Regensburg die Recherche zum Fall des katholischen Priesters Georg Zimmermann aufgenommen - und die Kommunalpolitiker in Eslarn vom Handlungsbedarf überzeugt. Ein Betroffener, der heute noch in Eslarn lebt, hatte dem Gemeinderat detailliert seine Erlebnisse mit dem Missbrauchspfarrer geschildert.
Georg Zimmermann hatte in Regensburg Theologie studiert. Nach der Priesterweihe 1949 nahm er ein Studium der Musik auf und war ab 1959 Internatsdirektor bei den Regensburger Domspatzen. Diese Position musste er nach einem knappen Jahr aufgeben. Er ließ sich in Eslarn nieder und bildete Knaben im Chorgesang aus. Auch einen Posten als Diözesanmusikdirektor musste er aufgeben. 1969 wurde er wegen schweren Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen zu 20 Monaten Haft verurteilt. Nicht alle Fälle seien damals aufgearbeitet worden, weil man den Jugendlichen eine Aussage ersparen wollte, weiß Gäbl. Zimmermann lebte bis zu seinem Tod 1984 in Eslarn.
Die evangelische Pfarrerin Carmen Riebl, in deren Gemeindebereich Eslarn liegt, reagierte mit Entsetzen auf die Nachricht, dass die Straße möglicherweise nicht umbenannt wird. Aus Seelsorgegesprächen wisse sie, wie unerträglich so eine Situation für Betroffene sei, die immer noch in Eslarn leben. Nicht verstehen könne sie außerdem, "wie jemand in einer Straße wohnen möchte, die nach jemand benannt ist, der wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde". Die Theologin kritisiert, dass durch das Bürgerbegehren Minderheitenrechte "einfach platt gemacht werden".
Über die Zulassung des Bürgerbegehrens wird der Marktgemeinderat am 30. Juli entscheiden. Doch schon jetzt stehe fest, dass der Gemeinderat das Bürgerbegehren zulassen müsse, sagt Gäbl: "So bitter das auch ist." Eine andere Entscheidung lasse die Gemeindeordnung nicht zu. Der Termin für den Bürgerentscheid ist auf den 24. November festgelegt. Bis dahin werde es noch heftige Diskussionen geben.
Kommentare
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Es wäre interessant besser…
Es wäre interessant besser zu verstehen, woher der massive Widerstand eigentlich kommt. Der Mann ist immerhin 40 Jahre tot. Hat es mit der Intervention von außen zu tun und man fühlt sich als Dorf überrumpelt ja angeschwärzt, mit Gewohnheit und Aufwand, oder damit, dass man sich eine heile Erinnerungswelt nicht zerstören lassen will, weil die Gegenwart schon schwierig genug ist? Natürlich ist es von außen betrachtet traurig und absurd und für die betroffenen Opfer vermutlich tatsächlich ein neuer Tiefschlag, der weiteren Schaden anrichtet. Trotzdem ist moralische Empörung vermutlich nicht der Weg die Widerständler umzustimmen und auch das Ansinnen sie sollten da besser erst gar nicht mitreden dürfen hat etwas Ignorantes, was den Widerstand eher anfeuern wird. Selbstwirksamkeit ist eine urdemokratische emanzipative Erfahrung, die gerade auch beim Mißbrauch total zerstört wird. Ist es das, was als Botschaft von der objektiv gerechtfertigten Umbenennung bleiben soll? Statt darauf zu dringen, was die Leute alles nicht dürfen, was "pfui" ist, sollte man eher an ihre Verantwortung appellieren und sie versuchen konstruktiv einzubinden. Wenn die Umbenennung so schwierig ist, was könnte man sonst tun um den Tatsachen gerecht zu werden? Und welche Geschichte soll eigentlich über den Ort und die Straße in Zukunft erzählt werden? Verdrängung und Aussitzen ist auch eine Möglichkeit des Umgangs mit Geschichte, aber sie birgt das Risiko von Lüge und Wiederholung. Wünscht man das den Kindern im Ort? Manchmal ist die Lage so schlimm, dass man nur so weiter machen kann. Aber ist das im idyllischen Oberpfälzer Wald wirklich so? Ich hoffe doch nicht.
Bei allem Abscheu: Der…
Bei allem Abscheu: Der Begriff "Missbrauchspfarrer" ist für ein seriöses Blatt eine Schande auf Bildzeitungsniveau. So geht man auch mit einem Kriminellen nicht um.
Danke für Ihre kritische…
Danke für Ihre kritische Anmerkung. Wir haben die Überschrift angepasst.
Man ist wirklich schockiert…
Man ist wirklich schockiert. Gerade mit diesem Fall. 2011 das erste Mal im dortigen Gemeindegremium vertagt, obwohl von einem Betroffenen (Verwandten Neffen) der in frühester Kindheit von diesem höheren kath. Geistlichen regelmässig mißbraucht worden war gefordert. In der Wikipedia findet man zu diesem "Theologen"?? unter dessem Namen noch viel mehr. Es kann einem richtig übel werden.