Die jungen Leute von heute? Ja, die sind illoyal, nicht so motiviert, nicht belastbar und sie haben zu hohe Ansprüche – das ist ein Bild, das viele ältere Menschen von der jüngeren Generation haben. Umgekehrt werfen Jüngere auch den Älteren viel vor: "Ältere können mit neuen Technologien einfach nicht umgehen", postete jüngst eine oder ein sunshine2000 auf Instagram.
Oder weiter unten war zu lesen: "Die Boomer haben überhaupt erst viele Probleme verursacht. So haben sie zum Beispiel zum Klimawandel ordentlich beigetragen." Auch dort zu finden, der Kommentar: "Sie haben der Arbeit in ihrem Leben einen zu hohen Stellenwert eingeräumt und erwarten nun, dass sich nun auch wir aufarbeiten." Da verlaufen sie also, die Gräben in unserer Gesellschaft zwischen Jung und Alt und manchmal macht sich das Gefühl breit, sie werden tiefer.
Irène Kilubi ist für generationsübergreifendes Miteinander
"Schluss damit", sagt Irène Kilubi, promovierte Wirtschaftsingenieurin und Unternehmerin. Sie plädiert für ein generationsübergreifendes Miteinander in Unternehmen und in der Gesellschaft. Für sie ist Zukunft "jung und alt zugleich", weil sie davon überzeugt ist, "dass nur Generationen gemeinsam Hand in Hand eine nachhaltige Zukunft sicherstellen können". Dafür hat sie eine Social-Impact-Initiative namens Joint Generations in München gegründet, die die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen Jung, Alt und allen dazwischen nachhaltig verbessern möchte.
Für Kilubi hat die Beschäftigung mit dem Thema Generationen schon recht früh begonnen: Sie kam als Kind mit ihrer Familie aus der Demokratischen Republik Kongo nach Deutschland. In den ersten Jahren in ihrer neuen Heimat hat sie ihre deutschen Klassenkameraden vor allem um ihre Omas beneidet. "Die Omas haben immer Kuchen gebacken, haben einem Häkeln und Stricken beigebracht. Das hätte ich auch gerne gehabt." Gleichzeitig beobachtet sie, dass man in Deutschland mit älteren Menschen ganz anders umgeht als in ihrem Herkunftsland. Schon damals also hat sie sich viel Gedanken gemacht über den Umgang der verschiedenen Generationen miteinander.
Wissenstransfer und Zusammenarbeit
Das Thema ließ sie auch während ihres Studiums nicht los. Und wie sehr Arbeitsalltag und Karriere von der Altersthematik bestimmt werden, erlebt sie dann als Berufstätige. Kilubi arbeitet unter anderem für Siemens, BMW, Amazon und Deloitte, bildet sich parallel immer weiter fort und merkt jedoch, dass die Themen "Generationen-Vielfalt" und "Generationen-Miteinander" ihre Herzensangelegenheit bleiben. Und so gründet sie 2021, mitten in der Corona-Zeit, "Joint Generations".
Heute berät sie Organisationen und Unternehmen in Fragen rund um Altersvielfalt und deren Umsetzung in die Praxis: "Wenn Altbewährtes und Neues aufeinandertreffen, dann kann Magisches entstehen", so Kilubi. Gemeinsam mit ihrem Team bietet sie ihren Kunden analoge und digitale Formate an, die Brücken bauen, den Dialog anregen und für Erfahrungsaustausch, Wissenstransfer und Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt sorgen.
Kilubi, inzwischen auch Multi-Beirätin, Hochschuldozentin für Digitales Marketing und Entrepreneurship sowie eine Frau, die schon mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, plädiert dafür, dass wir das Alter nicht mehr so sehr in den Fokus rücken: „Viel wichtiger sind die 3 Ps: Die Passion, das Potenzial und die Persönlichkeit, die ein Mensch mitbringt.“ Außerdem sei unsere Gesellschaft viel zu sehr in Alters-Stereotypen und Alters-Rollenbildern gefangen:
"Wir glauben, um die 30 Jahre bekommt man Kinder, spätestens mit 40 ist man in der Rush Hour des Lebens, mit 50 beginnt dann die Midlife-Crisis und mit 60 startet man nochmal richtig durch oder freut sich schon auf die Rente – aber, dass das auf viele Menschen gar nicht zutrifft, das wird gerne vergessen."
Kilubi wünscht sie sich mehr Empathie zwischen den Generationen: "Jemand der 20 ist, kann sich kaum vorstellen, wie es sich anfühlt, 40 oder 50 zu sein. Und jemand der 40 oder 50 ist, hat meist schon vergessen, wie es sich angefühlt hat, 20 zu sein." Man kann es aber lernen, sich in andere Generationen besser hineinzuversetzen. Wie das geht, erklärt Kilubi in ihrem Buch "Du bist mehr als eine Zahl. Warum das Alter keine Rolle spielt."
Sie gibt dort Tipps und erklärt Übungen, wie ein besseres Miteinander gelingen kann. Und am Ende haben Generationen im Übrigen mehr gemeinsam als sie denken: "Vor allem die Werte, die einem wichtig sind, unterscheiden sich kaum zwischen Jung und Alt. So wollen zum Beispiel alle einen Mehrwert in ihrem Leben schaffen."
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