Mit seinen rund 30.000 Einwohnern hat der Augsburger Stadtteil Oberhausen die Bevölkerungsdichte einer großen Kleinstadt – und gilt als sozialer Brennpunkt. Der Helmut-Haller-Platz am Bahnhof Augsburg-Oberhausen gilt seit Jahren als Treff der Drogen- und Alkoholikerszene. 2018 wurde hier in einer ehemaligen Apotheke der "beTreff" gegründet, den die Stadt Augsburg von einer Privatperson gemietet hat.

Der SKM Augsburg bietet als Fachverband der Caritas dort einen "akzeptanz-orientierten Raum und geschützten Rückzugsort für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten." Der "beTreff" gilt als Drogenkontaktladen. In dem dürfen zwar keine Drogen konsumiert werden – rund um ihn herum sind gebrauchte Nadeln und Fixerbestecke keine Seltenheit.

Der Treff am Haller-Platz bietet 25 Sitzplätze – allerdings kommen täglich bis zu fünf Mal so viele Menschen hierher. Da zudem die Nutzungsvereinbarung der Stadt Augsburg 2026 ausläuft, sucht man nach alternativen Standorten – und meint diesen nach Gesprächen mit der Diakonie Augsburg im Kirchenkomplex St. Johannes mit der dazugehörigen Außenanlage gefunden zu haben.

Pfarrerin Snewit Aujezdsky erklärt, dass die im Juni 1930 zum 400. Jahrestag der "Confessio Augustana" eingeweihte Kirche mit ihren rund 800 Sitzplätzen für die derzeit etwa 2500 Mitglieder zählende  Gemeinde zu groß geworden ist. Rund 45.000 Euro "Miese" pro Jahr mache man allein wegen dem Unterhalt der Gebäude, zu denen neben der Kirche auch noch ein Pfarrhaus sowie ein neues und ein älteres Gemeindezentrum zählen.

Stadt Augsburg will in St. Johannes Betreuung für Suchtkranke einrichten

Im Internet informiert die Stadt bereits für das "Forum St. Johannes" mit täglichen Öffnungszeiten von 9 bis 18 Uhr, umfangreicheren Betreuungsmöglichkeiten sowie medizinischen Dienstleistungen der ambulanten Suchthilfe und -prävention wie Substitution und hausärztliche Grundversorgung. Eingerichtet werden sollen zudem Notschlafplätze und Hygieneeinrichtungen.

Bereits vor fünf Jahren war ein erster Anlauf unternommen worden, in Zusammenarbeit mit der Diakonie Augsburg eine "Diakoniekirche" zu installieren. Das Projekt wurde durch Corona und die nachfolgend exorbitant gestiegen Baukosten vorerst begraben. Da die Verhältnisse am Helmut-Haller-Platz Handlungsbedarf erfordern, ist die Kommune Ende 2023 noch einmal auf Pfarrer Fritz Graßmann zugekommen.

Der theologische Vorstand der Diakonie Augsburg sieht an diesem Ort einerseits den diakonischen Auftrag seiner Institution umgesetzt. Zum anderen sollten sich Einrichtungen der Diakonie vom Sozialpsychiatrischen Dienst bis zu den Inklusionsbetrieben hier ansiedeln. Denkbar wäre, das alte Pfarrhaus sowie die älteren Gemeinderäume von der Kirchengemeinde zu mieten oder einen Erbpachtvertrag zu schließen, bei dem die Kirchengemeinde vom Pächter Diakonie einen jährlichen Zins bekommt.

Diese wiederum würde die gepachteten Räume an die Stadt Augsburg weiter vermieten. Die wiederum würde neben der Diakonie auch SKM, Drogenhilfe Schwaben und eigene Kräfte hier einsetzen. Von bis zu 300 Plätzen für Suchtkranke war bereits die Rede.

Aktionsgemeinschaft wehrt sich

Im Stadtteil regt sich Widerstand: Die Aktionsgemeinschaft "Unser Oberhausen" gründete sich, bei mehreren Bürgerversammlungen der vergangenen Wochen war ein einhelliges "Warum wieder Oberhausen?" zu hören. Anstatt die "Ghettoisierung" des Stadtteils weiter zu befeuern, müsse laut eines Thesenpapiers der Gemeinschaft die Aufwertung von Oberhausen das gewollte Ziel sein, um insbesondere für Familien aus sozial gefestigten Strukturen ein guter Wohnstandort zu sein. Seit Jahrzehnten nämlich verspreche man den Anwohnern, Hauseigentümern und Gewerbetreibenden in Oberhausen eine Aufwertung ihres Stadtteils.

Sprecher Maximilian-Philipp Walser kennt den Stadtteil bereits seit den Kinderschuhen. Er fordert einen anderen Standort für den Süchtigentreff, idealerweise in einem gewerblich geprägten Randgebiet von Oberhausen, abseits von Helmut-Haller- und Friedensplatz und fernab von Kindern und ihren Familien. "Die Drogenszene wird sich von St. Johannes aus sternförmig in die Wohngebiete ausbreiten. Das städtische Ordnungsamt wird mit seinem Personal dem nicht Herr werden", befürchten er und seine Mitstreiter. Aus diesem Grund findet am Samstag, 20. April eine Demonstration unter dem Motto "Für ein friedliches, sicheres und lebenswertes Oberhausen" um 14 Uhr am Oberhauser Friedensplatz statt.

Gottesdienste im Gemeindezentrum

Auch wenn das Kirchengebäude selbst als Ort für den Süchtigentreff nicht herangezogen werden soll, finden bereits jetzt die Gottesdienste vorwiegend im Gemeindezentrum statt. "Wir sind eine von sieben Gemeinden der Pfarrei Augsburg Mitte. Wenn wir eine Kirche benötigen, stehen in der Innenstadt fünf weitere schöne historische Kirchen zur Verfügung", meint die Pfarrerin. St. Johannes  soll entwickelt werden. "Uns ist klar, dass wir an keinen Investor verkaufen, sondern dass an diesem Ort auch weiterhin etwas für Menschen Gutes, Heilsames, Diakonisches entstehen soll", sagt Aujezdsky.

Ob die Stadt Augsburg das Projekt "Forum St. Johannes" umsetzen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Einig sind sich die Vertreter von Kirchengemeinde, Diakonie und Aktionsgemeinschaft lediglich in einem: "Wenn alles so bleibt, wie es ist mit der Süchtigenszene am Helmut-Haller-Platz, dann ist das am schlimmsten."   

Helmut-Haller-Platz in Augsburg mit "beTreff"
Am Helmut-Haller-Platz in Augsburg mit dem "beTreff" rechts im Bild.

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