Wegbereiter der friedlichen Revolution
Friedrich Schorlemmer schlägt das Buch auf und zeigt auf das Bild eines Holzschnittes. Dieser verweist auf den kritischen Zustand der DDR 1989. Nach 40 Jahren SED-Herrschaft ist sie am Endpunkt angekommen. Die friedliche Revolution führt schließlich zum Fall der Mauer und zur Wiedervereinigung. 35 Jahre sind seitdem vergangen.
Schorlemmer spricht von einem "großen Erbe und historisch einmaligen Ereignis von nicht zu unterschätzender Bedeutung".
Er taucht in die Geschichten ein, hat selbst Geschichte geschrieben. Der Publizist und evangelische Theologe ist einer der bekanntesten DDR-Bürgerrechtler, der sich stets für Frieden und Gerechtigkeit engagierte. Er meldete sich zu allen Zeiten zu Wort, und ist bis heute nicht still.
Biografische Stationen
Geboren wurde Friedrich Schorlemmer am 16. Mai 1944 in Wittenberge und wuchs als eines von sechs Geschwistern in Werben in der Altmark auf, einer kleinen, idyllischen Ortschaft an der Elbe. Sein Leben hat ihn viele Kilometer elbaufwärts geführt, seit mehr als 40 Jahren lebt er bereits in Wittenberg.
Wenn er sich heute dort an seinen Schreibtisch in seiner großen Altbauwohnung setzt und den Computer anschaltet, erscheint als Hintergrundbild die Silhouette seines Heimatortes Werben, die St. Johanniskirche ragt heraus. Schorlemmer zeigt daneben auf einen Baum, den er mit seinem Vater pflanzte. Weil er aus einem christlichen Elternhaus stammte, sein Vater war Pfarrer, blieb ihm das Abitur an der Erweiterten Oberschule verwehrt, doch er legte das Abitur stattdessen an der Volkshochschule ab.
Liebe zur Literatur
Die Bücherregale in seiner Wohnung sind bis unter die Decke gefüllt: Hilde Domin, Christa Wolf, Wolfgang Borchert, Volker Braun, Heinrich Böll. Bücher stapeln sich wie auch Schallplatten, Aktenordner und die vielen Erinnerungsstücke auf den Schränken.
Seine Liebe zur Literatur führt Schorlemmer vor allem auf seinen Vater zurück, der ihm nicht nur Geschichten erzählte, sondern ihm auch Bücher gab, die ihn zu einem aktiven Pazifisten werden ließen, wie er sagt. Das einzige Machtwort seiner Mutter, an das er sich erinnert, hing mit der Überlegung zusammen, in den Westen zu gehen:
"Entweder wir gehen alle oder keiner" soll sie dem Jungen gesagt haben.
Schorlemmer ist geblieben, verweigerte den Wehrdienst, engagierte sich.
Theologischer Bildungsweg
Von 1962 bis 1967 studierte er Theologie in Halle, arbeitete als Studieninspektor in den Franckeschen Stiftungen und danach als Studentenpfarrer in Merseburg. Seit 1978 lebt er in Wittenberg, war Dozent am Evangelischen Predigerseminar und Prediger an der Schlosskirche, von 1992 bis 2007 Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt.
Noch immer beteiligt sich Schorlemmer an Diskussionen, mischt sich wortgewandt und wortgewaltig ein. Auch während der großen Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum 2017 hielt er mit seiner Kritik nicht zurück. Zum Tag der deutschen Einheit, am 3. Oktober 2019, wird Schorlemmer im Berliner Dom predigen. "Ich bin gefragt worden," sagt er und lächelt.
Besondere Prägung in seinem Leben
Zwei politische Ereignisse haben ihn nach eigenen Worten besonders geprägt, der Prager Frühling 1968 und einige Jahre zuvor vor allem der 13. August 1961, der Tag des Mauerbaus.
"Jetzt bist Du eingesperrt. Wie richtest Du Dein Leben ein, wenn Du keine Alternative mehr hast? Das ist mir sehr nah gegangen."
Seit den 1970er Jahren engagierte er sich in der Friedens- und Umweltbewegung in der DDR. International bekannt wurde er 1983 mit der symbolträchtigen Umschmiedung eines Schwertes zu einer Pflugschar in Wittenberg. Bei der Großdemonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz gehörte auch Schorlemmer zu den Rednern. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Carl-von-Ossietzky-Medaille, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und das Bundesverdienstkreuz.
Der Sozialdemokrat und Christ mahnt zur Verteidigung der Demokratie
Was ihn heute noch antreibt? "Dass wir es verpasst haben, ein wirklich vereintes Europa zu schaffen." Europa sei ein großes Friedensprojekt, sagt er. "Wir müssen alles dafür tun, dass nur demokratische Parteien Mehrheiten bekommen."
Der Frieden in Europa könne aber nur dauerhaft gewonnen werden, wenn Russland nicht außen vor bleibe. Wenn er die Zeitung aufschlägt, springt ihn ein Bericht über den Rückgang der Artenvielfalt und den Zustand der Natur an. "Ökologisch sitzen wir alle in einem großen Schuldtanker." Er kann sich schnell in Rage reden, wenn er etwas betonen möchte, schlägt er mit Nachdruck mit der Hand auf den Tisch.
Schorlemmer sieht sich als Sozialdemokrat und als Christ, nicht vorrangig als Mitglied einer politischen Organisation. "Ich trage eine Überzeugung mit mir, die mich orientiert, die mich fordert, die mich stärkt, die mich kritisch und selbstkritisch macht." Daraus kommt auch seine Überzeugung, dass "immer mehr erreichbar ist als wir denken, wenn wir Zuversicht und den Mut zum Dafür behalten", sagt Schorlemmer mit Verweis auf Willy Brandt. Schorlemmer will sich auch künftig einmischen. Denn er ist überzeugt:
"Frieden ist möglich."
Buchtipp zu Friedrich Schorlemmer
Friedrich Schorlemmer schrieb selbst ein Buch. Dort berichtet er von seiner Vielfalt an verschiedenen Texten.
Das Buch hat die ISBN: 978-3871730672 und es hat 144 Seiten und kostet 14 Euro.
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