Der Pride Month ist in Deutschland der zentrale Monat, um LGBTQIA+ Menschen sichtbar zu machen, ihre Rechte zu stärken und Solidarität zu zeigen. In vielen Städten finden im Juni CSD-Paraden (Christopher Street Day) statt – bunte Demonstrationen für Akzeptanz und Gleichstellung.
So gab es 2024 bundesweit circa 150 CSD-Events mit rund drei Millionen Teilnehmer*innen. Neben Paraden bieten Kulturwochen, Workshops, Lesungen, Picknicks, Poetry-Slams und Konzerte Raum für Austausch, Information und Feierlichkeit.
Doch die Bewegung bleibt nicht ohne Gegenreaktionen: laut Bundeskriminalamt stiegen queerfeindliche Straftaten 2024 um 18 Prozent (1.765 Fälle), gegenüber ohnehin bereits hohen Zahlen.
Der CSD als zivilgesellschaftliche Antwort
Angesichts zunehmender Bedrohung (Online-Drohungen, organisierte rechte Gegenaktionen) rücken Schutz und Vorsicht in den Fokus. Teilnehmende verabreden sich in Gruppen, nutzen gemeinsame Anreisen und sind stärker sensibilisiert für mögliche Zwischenfälle.
Gleichzeitig stärken Solidaritätsaktionen gegen Hass – in Pirna etwa initiierte eine "Tour für Toleranz” Busfahrten, um queere Menschen in Sachsen zu unterstützen.
Stolzmonat: die rechte Gegenbewegung
Seit 2023 formiert sich im Netz und auf Social Media die rechte Kampagne "Stolzmonat" als Reaktion auf den Pride Month. Angeführt von AfD-Kreisen und rechtsextremen Influencer*innen (Honigwabe, Shlomo Finkelstein) wird versucht, Pride zu kapern, zu entmenschlichen und nationalistisch umzudeuten.
Vorwände & Narrative hinter dem Stolzmonat:
1. "SchwarzRotGold ist bunt genug" – diese Deutschland-Farbverlauf-Flagge in sieben Tönen imitiert bewusst die Regenbogenflagge und soll zeigen, dass nationale Farben ausreichend sind.
2. "Patriotismus gegen westliche Dekadenz" – Rechter Kulturkampfrahmen, in dem LGBTQIA+ als feindliche "ideologische Gruppierung" dargestellt werden .
3. Kindersexualisierungs-Vorwände – oft wird behauptet, Pride greife Kinder an oder sexualisiere sie (Werkzeug ideologischer Abwehr), obwohl es um grundlegende Repräsentation, Rechte und Liebe geht.
4. "Gegen Dominanzsignalisierung" – laut Selbstbeschreibung sollen Pride-Symbole angeblich "dominant", von einer "zahlenmäßig kleinen, aber mächtigen" Community aufgedrängt werden.
5. Online-Mobilisierung – mit Posting-Handbüchern, Memes, Hashtag-Kampagnen (#Stolzmonat mit 14 Mio. TikTok-Views) und Offline-Produkten wie "Stolz-EM-Trikots" oder signierten Shirts von AfD-Politiker*innen (Maximilian Krah).
Rechtsextreme Mobilisierung & Events
Der Stolzmonat bleibt bisher weitgehend onlineorientiert. Laut der Amadeu-Antonio-Stiftung handelt es sich um eine gezielte metapolitische Online-Kampagne gegen LGBTQIA+.
Konkrete rechte Gegenveranstaltungen im realen Raum gibt es derzeit wenige – im Unterschied zu organisierten CSD-Störungen wie in Bautzen oder Leipzig 2024, wo rechte Gegenproteste Polizeischutz nötig machten.
Die semantische Wende: Gegenkampagne der Community
Um den Begriff "Stolzmonat" zurückzugewinnen und ihn queerfreundlich zu besetzen, meldete der Aktivist Fabian Grischkat den Begriff sogar markenrechtlich an – mit T-Shirts und Utensilien zugunsten queerer Zwecke.
Diese Aktion zeigt: Der kulturelle Kampf um Sprache und Symbole ist längst entbrannt – vor allem im digitalen Raum.
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