Pullach, 9:15 Uhr: 16 junge Theolog*innen sitzen mit ihren Laptops auf dem Schoß im Halbkreis und lauschen Journalistin Larissa Launhardt, die gerade erklärt, wie man online journalistische Artikel schreibt. Gut schreiben können ist elementar für Pfarrerinnen und Pfarrer. Deshalb steht das Thema "Kommunikation" in der Ausbildung junger Vikarinnen und Vikare heute auf dem Programm.
In ihrem zweijährigen Vikariat, der praktischen Ausbildung nach dem Studium, sollen die angehenden Theolog*innen alles lernen, was später zur guten Führung einer Gemeinde gehört, und dazu zählt eben auch der eigene Internetauftritt. Im Vikariat wechseln sich praktische Arbeit in der Gemeinde und Schulungen im Predigerseminar ab.
Theologische Ausbildung zum Transformer
"Der Pfarrberuf wird immer komplexer, und so muss auch die Ausbildung in der Breite gut aufgestellt sein. Man muss so vieles so gut können", sagt die evangelische Pfarrerin Mirjam Sauer, die als Studienleiterin am Predigerseminar arbeitet.
Seelsorge betreiben, Gottesdienst halten, Religionsunterricht gestalten… Das und mehr lernen Theolog*innen im evangelischen Studienseminar.
"Eine Kollegin sagt immer, wir bilden kleine Transformer aus", lacht Frau Sauer.
Weil sich der Job eines Pfarrers wesentlich geändert hat, wurde die Ausbildung der Vikarinnen und Vikare erst vor kurzem neu strukturiert. Nun ist die Ausbildung modularisiert, man lernt also nicht mehr alles gleichzeitig, sondern fokussiert sich halbjährlich auf einen Themenschwerpunkt. Vier große Module beziehen sich dabei auf Gottesdienst und Kasualien, Seelsorge, christliche Bildung und Leitungshandeln. Hinzu kommen Themen wie Öffentlichkeitsarbeit und Kirchenrecht. Jedes dieser Module wird von Expert*innen betreut.
Ausbildung der Vikarinnen und Vikare
Die Einführung in die unterschiedlichen Bereiche findet diese Wochen in Pullach statt. Die Herbstsonne scheint auf das Backsteingebäude mit gemütlichem Innenhof. In der Kaffeepause stehen die 16 in kleinen Grüppchen beisammen und tauschen Erfahrungen aus. Für die Ausbildung werden die angehenden Pfarrer*innen in einer Gruppe bleiben, sich regelmäßig zu zentralen Reflexionseinheiten von drei bis fünf Tagen treffen und sich gegenseitig in ihrer Entwicklung begleiten.
"Die Frau Müller im Seniorenkreis, die seit 40 Jahren Tischdecken häkelt, hat eine andere Erwartung an den Vikar wie eine Konfirmandin oder die Tauf-Eltern," erklärt Studienleiterin Sauer. Sie betont, wie wichtig es ist, sich gerade in dieser Phase mit Rollenerwartungen und Selbstverständnis austauschen zu können. Zum Studienseminar gehört jedoch noch mehr.
Fixpunkte und Begleitung im Vikariat
Der Student Johannes Göpffarth hat diesen Sommer mit dem Vikariat begonnen. Seinen Zeitplan für die nächsten beiden Jahre besteht aus einer Tabelle mit vielen bunten Farben. Dort steht, wann er wo sein soll und mit welchem Mentor er sich treffen muss.
Zusätzlich zum Pfarrer vor Ort wird er für jeden Schwerpunkt noch von weiteren Personen begleitet. Es gibt ein geistiges Mentorat, eines für Grundschule, eines für die weiterführende Schule oder eines für die Seelsorge. Und dann geht es durch ganz Bayern: Früher wurden die Vikarinnen und Vikare im Predigerseminar in Nürnberg ausgebildet, heute sind sie mal am Schwanberg oder eben heute in Pullach. Außerdem treffen sich die Theolog*innen zusätzlich in ihren Regionalgruppen, also in einem kleineren, intimeren Rahmen.
"Die Vikare werden in ein Netzwerk eingewoben", erklärt Frau Sauer die komplexe Struktur, die entsteht, wenn in allen Bereichen hochprofessionalisiert ausgebildet werden soll. Insgesamt gibt es fünf Stellen für die Studienleitung.
"Die größte Herausforderung ist es, alle Vikare im Blick zu behalten", stellt Frau Sauer fest. Das Sammelsurium an spezifischen Wissensfeldern soll schließlich auch im Gesamten zusammenpassen. So wird also der/die Vikar*in von Experte zu Experte gereicht. Das System ist noch in der Erprobungsphase - insofern sind gerade alle gespannt, was dabei herauskommt.
Vikariat in der Gemeinde vor Ort
Ein weiterer Punkt erschwert die Ausbildung. Es geht schließlich beim Vikariat darum, das Leben einer Gemeinde kennenlernen zu können. Bleibt dafür noch genug Zeit? Mit der neuen Reform geht nämlich auch eine Kürzung von zweieinhalb auf zwei Jahre einher. Die Studienleitungen versuchen, dass sich Seminar- und Gemeindezeit die Waage halten.
Trotzdem sorgt sich Johannes Göpffarth: "Und wenn dann der Schwerpunkt Konfirmationsarbeit kommt, muss ich in meine Gemeinde gehen und hoffen, dass zu der Zeit auch ein Konfikurs stattfindet."
Frau Sauer versteht diese Sorge um zu wenig Praxiserfahrung, will dies auch im Blick behalten, fügt aber auch an, dass sie auch von der Euphorie der Theologen herrührt, nach so langem Studium endlich in ihrem gewünschten Beruf arbeiten zu dürfen.
"Die hohe Motivation der Vikare ist für die Kirche ein großer Schatz", sagt sie. Andererseits hätten sie noch nicht die gleiche Verantwortung und sollen sich auch die Zeit nehmen können für die Ausbildung. Es ist ein wenig wie ein "Schwall an Konfetti, das über den Vikar*innen ausgeschüttet wird", sagt Sauer: Die Vikarinnen und Vikare können sich dann unter all den glitzernden und funkelnden Aufgaben umschauen und herausfinden, was ihnen besonders liegt.
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden
Ich erlebe viele…
Ich erlebe viele Pfarrpersonen als extrem schlecht ausgebildet - gerade was die Zukunft der Kirche betrifft (also Jugendarbeit, Religionsunterricht, Konfirmandenunterricht).
Und jetzt sollen sie das noch schneller in zwei Jahren lernen (mit sehr vielen anderen Themenfeldern)? Vielleicht solle da mal eine große Reform her und statt X-Jahre Studiums mal das Handwerkszeug, auf das es wirklich ankommt, ordentlich lernen?
Es ist erfreulich, dass sich…
Es ist erfreulich, dass sich die Kirche umfassend um die gute Ausbildung der angehenden Pfarrer bemüht. Allerdings fallen mir hier zwei Dinge auf: 1. Mittlerweile erlebt der Beruf einen deutlichen Frauenüberschuß, was vielleicht noch nicht auf die Führungsebene durchschlägt, sich aber in den Bildern und auch im persönlichen Umfeld zeigt und so ist passenderweise auch von der Konfirmandin und der Bastelkreisaktiven die Rede. Das ist einerseits erfreulich birgt aber andererseits die Gefahr, dass die bisherige Einseitigkeit sich nun mit umgekehrten Vorzeichen fortsetzt. Ich finde es für ein vielseitiges Gemeindeleben gut, wenn auch viele perspektiven vertreten sind. Wenn es also in Zukunft vor allem Pfarrerinnen gibt, dann sollten vielleicht mehr Lektoren und ehrenamtliche Herren ermuntert werden hier für etwas ausgleich zu sorgen. 2. Die vielfältigen Erwartungen: Wer sagt eigentlich immer, dass Konfirmanden und Pensionisten so grundverschiedene Erwartungen haben. Natürlich gibt es Unterschiede in den Bedürfnissen, aber kulturell sind sich Junge und Alte heute oft näher als früher. Auch frage ich mich, ob es wirklich die Aufgabe der Pfarrer und Pfarrerinnen ist alle diese Erwartungen möglichst zu erfüllen oder ob man bei aller guten Ausbildung auch im Interesse der seelischen Gesundheit der Angestellten hier nicht auch einmal einen Gang herunterschaltet: Ich kann gut mit Pfarrerinnen und Pfarrern leben, die hochgradig imperfekt sind und Macken haben solange sie sich treu sind und bemüht es im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut zu machen. Das Christentum geht gerade nicht auf Helden und Übermenschen zurück sondern eher auf Versager und Halbgläubige. Für den Zustand der Gemeinde ist primär der heilige Geist und ihre Glieder zuständig und dann erst der Theologe vom Dienst. Ich finde gerade idealistischen jungen Menschen sollte man das öfter sagen, damit sie sich getragen und nicht beladen fühlen und auch der Gemeinde kann man es sagen wenn sie es noch nicht weiß. Es steht geschrieben: "Ihr seid das Salz der Erde" nicht der Rebbe muss sich um Euch sorgen wie ein Vater oder eine Mutter noch dazu, wenn er Euer Sohn oder Eure Tochter sein könnte.