Ich komme aus derselben Stadt wie Sara Däbritz – Amberg. Wenn euch der Name nichts sagt: Sie ist Profi-Fußballerin, spielt bei Olympique Lyon, bald Real Madrid, und steht bei der laufenden Europameisterschaft für Deutschland auf dem Platz.
Ja, richtig gelesen – die Frauen-Fußball-EM hat begonnen. Man muss es leider extra betonen: Frauen. Weil es sonst einfach untergeht.
Sara Däbritz: Hochzeit statt sportliche Form
Aus Interesse wollte ich nachsehen, ob Sara Däbritz in der Startelf steht. Ein paar Google-Anfragen später wusste ich: Ja, sie ist dabei – und frisch verheiratet mit ihrer Jugendliebe. Über ihre sportliche Form? Ihre Ziele beim Turnier? Ihre Einschätzung der Stärken und Schwächen der Gegnerinnen? Weniger zu finden. Dafür etliche Artikel über ihre Hochzeit, obwohl sie diese bewusst privat gehalten hat. Und das ist bezeichnend.
Denn während man bei männlichen Nationalspielern sofort Analysen zu Marktwerten, Formkurven oder Verletzungen findet, bleibt bei vielen Spielerinnen oft nur der Lifestyle-Teil hängen. Und wenn man das kritisiert, kommt schnell das Totschlagargument: "Die Nachfrage regelt den Markt."
Aber ist das wirklich so einfach? Nachfrage lässt sich auch erzeugen. Medien im weitesten Sinne schaffen Hypes, setzen Themen, kurbeln Interessen an. Es wäre naiv zu glauben, dass sich Fans von Frauenfußball nicht finden lassen würden – wenn man ihnen denn etwas anbietet. Sichtbarkeit ist keine Folge von Interesse, sondern oft Voraussetzung dafür.
Ein Blick in die USA zeigt, wie absurd es manchmal wird: Dort ist Fußball traditionell eher Frauensport – allerdings vor allem, weil der Sport selbst als "weniger hart" und "nicht männlich genug" gilt. Was nicht als ernstzunehmend wahrgenommen wird, wird den Frauen überlassen. Hierzulande ist Fußball dagegen Männersache – und auf einmal geraten die Frauen ins Abseits. Zufall? Wohl kaum.
Die vergessene Frauen-WM
Dabei hätte es auch anders laufen können. Schon 1971 fand in Mexiko die erste inoffizielle Frauen-Weltmeisterschaft statt – unabhängig vom DFB, organisiert vom Verband FIEFF. Die Stadien waren voll, Spielerinnen wurden gefeiert, besonders die 15-jährige Susanne Augustesen, die im Finale drei Tore schoss und Dänemark den Titel brachte.
Doch statt Anerkennung folgte der Rückschlag: In Dänemark wurde das Spiel erst Wochen später ausgestrahlt, die Spielerinnen beschimpft, der Fußballverband distanzierte sich. In Mexiko und Brasilien wurde Frauenfußball kurzerhand verboten. (Zu dem Thema vergessene WM 1971 empfehle ich die Podcast-Folge "vergessene wm / little Germany" von "Too many Tabs".)
Und in Deutschland? Da galt bis 1970 ein offizielles Verbot des DFB: Frauenfußball sei "unweiblich", schade Körper und Seele, und das "Zurschaustellen" des weiblichen Körpers verletze "Schicklichkeit und Anstand". Noch bis 1991 (!) durfte der Frauenfußball keine offiziellen EMs austragen. Die erste FIFA-Frauen-WM wurde erst 1991 abgehalten – ganze 60 Jahre nach der ersten Männer-WM.
Was wäre möglich gewesen?
Es ist also nicht so, dass Frauenfußball nie funktioniert hätte. Im Gegenteil – er wurde systematisch ausgebremst. Was wäre wohl möglich gewesen, hätte man ihn nicht kleingehalten, sondern von Anfang an gefördert?
Heute holen Spielerinnen wie Sara Däbritz auf. Aber sie holen eben nach – gegen einen riesigen, historischen Rückstand.
Höchste Zeit, dass wir den Frauenfußball nicht nur nebenbei erwähnen. Sondern endlich ernst nehmen. Denn es liegt nicht an mangelnder Qualität auf dem Platz – sondern daran, wem wir zuschauen, wem wir zuhören und wem wir Aufmerksamkeit schenken.
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