Sommerzeit ist Freibadzeit - doch der einst so beliebte Treffpunkt steht vor großen Herausforderungen: sinkende Besucherzahlen, fehlende Schwimmlehrer und neue Sicherheitsmaßnahmen. Roland Eckardt ist Leiter des Bäderamtes der Stadt Sindelfingen und dort auch zuständig für das mit 60.000 Quadratmetern Liegefläche größte Sport- und Familienbad der Region Stuttgart, das Sindelfinger Badezentrum. Mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) sprach er über erwachsene Nichtschwimmer, Aggressionen unter den Gästen und darüber, was er an seiner Arbeit am schönsten findet.

"Es gibt heute deutlich mehr Alternativen zum Freibad als früher"

Herr Eckardt, der Besuch im Freibad gehört zum Sommer wie ein Eis in der Sonne. Für viele ist das Freibad in Zeiten von Inflation und steigenden Mieten zudem günstiger als ein zweiwöchiger Urlaub im Ausland.

Roland Eckardt: Wir sind mit den Besucherzahlen zufrieden. Allerdings gibt es heute deutlich mehr Alternativen zum Freibad als früher. Wenn im Umfeld Veranstaltungen stattfinden, merken wir das sofort auch an niedrigeren Besucherzahlen. Hinzu kommt, dass sich die Freizeitaktivitäten in den letzten Jahrzehnten stark verändert haben. Fitnessstudios, Boulderhallen und E-Bikes liegen im Trend. Insgesamt sind die Besucherzahlen in Freibädern nach meiner Beobachtung eher leicht rückläufig.

Dass jeder schwimmen kann, ist offenbar nicht mehr selbstverständlich. Allein vorletztes Wochenende sind laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft 15 Menschen in Deutschland ertrunken.

Wir beobachten, dass auch Erwachsene vielfach nicht schwimmen können, unter ihnen vor allem zugewanderte Menschen. Viele haben in ihren Herkunftsländern nie schwimmen gelernt. Für andere ist das Thema mit Scham behaftet, also sagen sie lieber nicht, dass sie nicht schwimmen können. Wir sehen das den Besuchern am Eingang nicht an. Und schließlich fehlt es an Fachpersonal, das Schwimmkurse anbietet.

"Es gibt ein regelrechtes Bädersterben in Deutschland"

Warum?

Zum einen ist das Gehalt nicht sonderlich attraktiv und steht in keinem Verhältnis zur Verantwortung, die man hat. Hinzu kommen familienunfreundliche Arbeitszeiten, wie am Abend und am Wochenende. Und es gibt ein regelrechtes Bädersterben in Deutschland, denn so ein Schwimmbad ist immer ein Zuschussgeschäft. Viele Gemeinden können sich den Unterhalt nicht mehr leisten. Eine Sanierung kostet je nach Größe des Bades zwischen 10 und 50 Millionen Euro.

Wie oft müssen Sie Menschen aus dem Becken retten?

Pro Saison - also etwa von Mai bis September - müssen wir fünf bis zehn Mal jemanden retten. Glücklicherweise gehen die meisten Fälle aber glimpflich aus. Nicht wenige Besucher überschätzen ihre Fähigkeiten. Es kommt gelegentlich vor, dass Personen in das Sprungbecken gehen und dann völlig entkräftet feststellen müssen, dass sie ohne Boden unter den Füßen gar nicht klarkommen.

In den vergangenen Jahren hörte man wiederholt von Massenschlägereien in Schwimmbädern.

Wir arbeiten an heißen Tagen, an denen es besonders voll wird, mit einem Sicherheitsdienst zusammen. Hier wollen wir den Badegästen bereits an der Kasse ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Das Gelände wird ebenfalls bestreift, um hier vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Das kommt sowohl bei den Badegästen als auch beim Personal gut an. Vorfälle dieser Art sind bei uns daher eher selten.

"Das Team hat mir berichtet, dass die Gäste seit wenigen Jahren eine kürzere Zündschnur haben"

Ist die Stimmung im Schwimmbad insgesamt aggressiver geworden?

Das Team hat mir berichtet, dass die Gäste seit wenigen Jahren eine kürzere Zündschnur haben und deutlich schneller unfreundlich werden, als es noch vor 20 Jahren der Fall war. Meine persönliche Vermutung ist, dass das gar nichts mit der Bäderlandschaft zu tun hat, sondern die Menschen mit der politischen und gesamtgesellschaftlichen Lage in Deutschland unzufrieden sind.

Was sind für Sie als Badeleiter die schönsten Momente Ihrer Arbeit?

Der Tag einer jeden Eröffnung, wenn man erkennt, dass sich der Vorbereitungsstress der Vortage gelohnt hat und die Gäste und Mitarbeiter freudestrahlend wieder das Freibad betreten.

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