Mit schöner Regelmäßigkeit bringt jedes neue Schuljahr eine Latte (oft mäßig) neuer Forderungen oder Maßnahmen­kataloge seitens Lehrkräften, Schülerschaft oder Politik mit sich. Den ersten Vorstoß des Jahrgangs 2024/25 hatte Ministerpräsident Söder schnell kassiert: Leistungsnachweis nur mit Ansage? Nicht in Bayern! Ex ist Ex, und ein bisserl Überraschung macht den Schulalltag lebendig. Nicht lustig, sagen Eltern- und Schülerverbände: Die Angst vor der Ex sorgt für unnötigen Stress; mit weniger Druck ist die Leistung auch besser, also bitte mehr 21. statt 19. Jahrhundert …

Doch mit Ankündigung steigt womöglich die Krankheitsquote an Leistungstagen: Deshalb wollen manche Schulleiter dem Trend zum Ex- und Schulaufgaben-Schnupfen gleich einen Riegel vorschieben, indem sie für Abwesenheit am Prüfungstag pauschal eine Attestpflicht erlassen.

Die Strichlisten gegen das Vergessen

Abgesehen davon, dass es für Eltern ein Irrwitz ist, mit dem fiebernden, hustenden oder speienden Kind in die Praxis zu fahren, nur um einer Note 6 zu entkommen, ziehen sich sehr viele Kinderärzte den Schuh nicht mehr an: Atteste würden zu häufig unbegründet angefordert; jetzt kosten sie eben extra. Muss man dann halt vom Taschengeld des dreisten Kranken abziehen …

Auch stets beliebt: die Strichlisten gegen das Vergessen. Wer dreimal sein Heft oder Buch oder Federmäppchen zu Hause liegen lässt, muss nachsitzen; beim sechsten Strich kommt der Verweis. Für jedes Fach: extra Strichliste, ist ja klar. Aber keine Bange, zum Halbjahr wird das Vorstrafenregister wieder auf null gesetzt. An alle, die stricherltechnisch jetzt schon gut dabei sind: Nicht verzagen, es sind nur noch vier Monate ... 

Geht es vielleicht auch anders?

Nun kann man sagen: So ist das (Schüler-)Leben halt – hart, aber ungerecht. Irgendwie müssen Lehrkräfte ihre Noten machen und dafür sorgen, dass alle ihr Material dabeihaben. Und ganz sicher fördert es die Resilienz, wenn man sich auch mal unvorbereitet durch die Extemporale improvisiert oder den amtlichen Nachweis der eigenen Schusseligkeit zu den Akten legt. 

Aber es gibt eben auch Kinder und Jugendliche, die dadurch nicht zäher werden, sondern mit Bauchschmerzen (oder irgendwann gar nicht mehr) zur Schule gehen. 

Deshalb dann doch die vorsichtige Frage, ob es vielleicht anders ginge? Bonuspunkte, mit denen man Minuslisten ausgleichen kann? Müll aufsammeln statt Verweis? Erst fördern und dann fordern? Bis dahin gilt die alte Weisheit: Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir. Im besten Fall, dass trotzdem jemand – Freunde, Familie, Lehrkräfte – da ist, auch wenn es gerade gar nicht läuft. 

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